Wie schmeckt eine gute Zukunft?

03 Sep 2021  Eaternity  5 mins read.

Das Thema Klima erreicht in Medien und Unternehmen langsam die erforderliche Präsenz. Bei näherer Betrachtung wird allerdings klar, dass wir von einer echten Aufklärung der Gesellschaft noch weit entfernt sind. Auch das ist ein Grund dafür, warum wirkungsvolle Maßnahmen von Seiten Wirtschaft und Politik weiterhin rar sind. Umso wichtiger ist die Sichtbarmachung von CO₂-Emissionen auf Produkten: Sie bietet Konsumierenden und Unternehmen eine Chance zum Wandel und eröffnet Potentiale im Bereich Marketing für diejenigen Unternehmen, die wirkungsvoll klimafreundlich handeln.

Der Ernährungswirtschaft und unserer Ernährung kommt im Zusammenhang mit dem Klimawandel eine ganz besondere Rolle zu. Da hier Veränderungen sehr schnell umsetzbar sind und kurzfristig Wirkung entfalten können, können wir mit einer klimafreundlichen Ernährung genau die Zeit kaufen, die notwendig ist, bis neue Technologien und langfristigere Maßnahmen greifen.

Die Rolle der Zeit

Die meisten Menschen verstehen, dass der Klimawandel negative Auswirkungen auf die Lebensqualität hat. Die Erderwärmung führt zu immer größeren Umweltkatastrophen und irreversiblen, sich selbst verstärkenden Prozessen, die Erdteile unbewohnbar machen. Was viele nicht wissen, ist, dass uns nur noch ein CO₂-Budget von weniger als sieben Jahren zur Verfügung steht, um das Risiko unkontrollierbarer Umwelteffekte niedrig zu halten. Erneuerbare Energien, Bäume pflanzen und das Absaugen von CO₂ aus der Luft sind die geläufigsten Lösungsansätze im öffentlichen Diskurs. Im Hinblick auf unser begrenztes Zeitfenster greifen diese Lösungen zu spät. Die Umstellung auf erneuerbare Energien ist notwendig, dauert aber mindestens bis 2050. Ebenso benötigt das Pflanzen von Bäumen Jahrzehnte, um Wirkung entfalten. Auch das Absaugen von CO₂ aus der Luft ist noch extrem teuer, die Umsetzung langsam und die Garantie, dass nicht letztlich doch CO₂ entweicht, nicht gegeben.

Die Rolle der Ernährung

Hier kommt unsere Ernährung ins Spiel: Der Ernährungssektor verursacht weltweit 30 Prozent aller Treibhausgase, 70 Prozent davon durch die Herstellung tierischer Produkte. Und während über 80 Prozent des weltweiten Ackerlandes für die Produktion tierischer Produkte genutzt werden, produziert diese Fläche nur 18 Prozent der weltweiten Kalorien. Würde sich die Welt klimafreundlich ernähren, könnten wir den CO₂-eq-Gehalt in der Luft um knapp 20 Prozent reduzieren und damit die uns zur Verfügung stehende Zeit, um Lösungen zu entwickeln, verlängern.(1)

Die Macht der Information

Wer beim Einkauf von Obst und Gemüse ein Produkt erwerben möchte, das nicht gespritzt ist und den Erhalt der ökologischen Vielfalt unterstützt, kann sich an Bio-Labels orientieren. Die einfache Kennzeichnung ermöglicht eine ökologische Entscheidung innerhalb von Sekundenbruchteilen. Damit Angebot und Nachfrage auch für das Klima echte Wirkung entfalten können, ist es erforderlich, dass Konsumierende ohne Aufwand am Produkt verstehen, ob sie im Begriff sind, die klimafreundliche Option zu wählen oder nicht. Welche CO₂-eq-Wirkung ein Produkt hat, sollte daher auf jeder Verpackung sichtbar sein. Diese Notwendigkeit betrifft nicht nur Lebensmittel, doch ist gerade hier eine schnelle Umsetzung von Bedeutung, da Kaufentscheidungen im Lebensmittelbereich alltäglicher Natur sind. Ein verständliches, gut sichtbares CO₂-eq-Label hilft Konsumierenden, bewusst einzukaufen. Selbstverständlich werden auch mit einem Klima-Label weiterhin Produkte gekauft werden, die schlecht fürs Klima sind. Information allein führt nicht zwangsläufig zu einer Verhaltensänderung, doch sie begünstigt sie. Durch die ständige Konfrontation mit den Auswirkungen des eigenen Konsums dürften Konsumierende immer häufiger klimafreundlicheren Lebensmitteln den Vorzug geben.

All you can eat for climate

Wie groß eine Welle ist, können wir auf einem Foto dann beurteilen, wenn eine Person mit auf dem Bild ist. Die Größe der Surfer*in hilft uns dabei, die Größe der Welle zu definieren: Wir sehen sofort, ob jemand in Strandnähe plätschert oder eine 15-Meter-Welle reitet. Das Verhältnis zwischen Mensch und Welle macht das Bild begreifbar.

Ähnlich verhält es sich mit CO₂-eq-Werten auf Produkten. Die meisten Menschen wissen nicht, ob 100 g CO₂-eq viel sind oder wenig, gut oder schlecht fürs Klima. Aber sie verstehen das Verhältnis zu anderen Produkten, das Verhältnis zum Durchschnitt. Die Information “besser als der Durchschnitt / schlechter als der Durchschnitt” hilft bei einer ersten Einordnung. Daher könnte sie ein Merkmal von CO₂-eq-Labels werden.

Climate Labels

Als wir gemeinsam mit Eaternity die Labels “All You Can Eat for climate” entwickelt haben, stand die intuitive Verständlichkeit im Vordergrund: Wir haben gelernt, bei Rot zu halten und bei Grün zu gehen. Wir haben gelernt, dass mehr Sterne gut und weniger Sterne schlecht sind. Und wir haben gelernt, dass man sich mit Feuer die Finger verbrennt. Die einfachen Aussagen “gut fürs Klima / schlecht fürs Klima” lassen Produkte kognitiv einordnen und nehmen Bezug zum Durchschnitt. Die weitere Unterscheidung in “sehr gut fürs Klima / sehr schlecht fürs Klima” sorgt bei Konsumierenden und Herstellern für eine klärende Differenzierung. Damit sich die Labels auf farbigen Verpackungen gut vom Hintergrund abheben, besitzen sie eine weiße Umrandung.

Ist klimafreundlich lecker?

Im Bereich der Ernährung muss CO₂-Reduktion keinen Verzicht bedeuten. Vielmehr kann sich die bunte (instagrammable), reichhaltige, nährstoffreiche Vielfalt einer pflanzenbasierten bzw. pflanzenbetonten Ernährung offenbaren. Die Wachstumszahlen aus diesem Bereich der Wirtschaft sprechen jedenfalls im Hinblick auf ein sich änderndes, ökologischeres Konsumverhalten eine klare Sprache. So kann die Foodbranche das Thema Klimawandel für alle leichter gestalten. Mit attraktiven Angeboten und einer eindeutigen Orientierung in Bezug auf die Klimafreundlichkeit direkt am Produkt. Die Ernährungswirtschaft kann jetzt ihre historische Chance ergreifen, zum Schlüssel-Player der ökologischen Wende zu werden. Das schmeckt nach guter Zukunft!




Balázs Tarsoly studierte Kommunikations-Design in Wiesbaden und Los Angeles und arbeitete als Designer in London. Neben seiner Begeisterung für Ernährung, Storytelling und Design bringt er 15 Jahre Erfahrung in der Markenentwicklung im Foodbereich mit. Er ist Gründer und Geschäftsführer der auf Food und Nachhaltigkeit spezialisierten Kreativ-Agentur Branding Cuisine. Mit dieser ist er Veranstalter des WeltverbEsserer-Wettbewerbs für nachhaltige Food und Gastro-Konzepte. Balázs ist Autor des Buches „CO₂lution – Gemeinsam. Klima wandeln. Jetzt.“

www.brandingcuisine.com

www.CO₂lution.com

(1) Erläuterungen mit Quellen in Müller-Amenitsch, Ralf und Tarsoly, Balázs, CO₂lution – Gemeinsam. Klima wandeln. Jetzt. Berlin, 2021

AYCE
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AYCE ist eine Gruppe von Menschen, die sich dafür einsetzt, dass eine nachhaltige Lebensmittelzukunft schneller passiert.